08.Oktober 1958: der Schrittmacher hat 50. Geburtstag

Stellen Sie sich mal vor, sie haben gefährliche Herzrhythmusstörungen und ihr Arzt sagt: “ich hab mir zusammen mit einem Kumpel da so was erfunden: eine (alte?) Schuhcremedose mit ein paar Bauteilen, die kann ich Ihnen einpflanzen und dann… schau’n wir mal.” Viel anders wird es wohl nicht gewesen sein vor 50 Jahren am 08. Oktober, als ein schwedischer Arzt und ein Ingenieur einem Patienten mit Herzrhythmusstörungen als Notlösung dieses Teil einpflanzten. Doch seitdem hat es sich als Lebensretter für Millionen Menschen weltweit entwickelt.

Heute dauert der Eingriff 30 Minuten und ermöglicht ein langes Leben ohne große Einschränkungen. (Helmut Schmidt unserer Altbundeskanzler ist ja wohl das beste Beispiel). Die kleinsten Geräte sind nur so groß wie eine Zwei-Euro-Münze und haben Fähigkeiten von Mini-Computern.

Sven Schneider, z.B., ist 39 Jahre alt, Familienvater und arbeitet in einem Berliner Elektronikfachmarkt. "Ich lebe kaum anders als gesunde Menschen", sagt er. Nur schwere Fernsehgeräte trägt er nicht allein, Bei Handytelefonaten hält er sich kurz - und beim Herumtollen mit seiner vierjährigen Tochter muss er ein bisschen aufpassen. Denn Herzschrittmacher reagieren nicht nur empfindlich auf elektromagnetische Wellen, sondern auch auf Stöße. Dass er ohne seinen Schrittmacher nicht mehr am Leben wäre, ist ihm immer bewusst. Er kam als "blaues Baby" auf die Welt, als Junge mit einem angeborenen Herzfehler, bei dem Sauerstoffmangel im Körper zur bläulichen Färbung der Haut führte. Mit sechs Jahren wurde Schneider zum ersten Mal operiert, drei weitere Eingriffe folgten, davon zwei große Herzoperationen. Seit etwa zehn Jahren hilft ihm zusätzlich ein Schrittmacher, um das Herz regelmäßig schlagen zu lassen. Eine persönliche Leidensgeschichte, von der rund 100 000 Menschen allein in Deutschland oft in ähnlicher Weise mehr oder weniger betroffen sind.

Das Einpflanzen eines Schrittmachers ist für die Mediziner deshalb eine Routinearbeit - oft ambulant und mit örtlicher Betäubung. Hätte man den Schrittmacher nicht erfunden, würde den Patienten immer noch dasselbe wie vor drohen. Schlägt das Herz zu langsam oder macht es Pausen, kann es zu Schwindelanfällen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Im schlimmsten Fall droht bei Anstrengungen der Herzstillstand, der ohne Notarzt-Einsatz zum Tod führen kann.

Von der Idee her hat sich an den Geräten seit 50 Jahren nichts verändert: Wie eine kleine Maschine treibt der Schrittmacher das Herz durch elektrische Impulse an. Unterhalb des Schlüsselbeins werden isolierte Drähte über ein Brustgefäß zum Herzen durchgesteckt und im Herzmuskel verankert. Impulse aus dem Schrittmacher stimulieren dann das Herz.

Seit Oktober 1958, als der schwedische Arzt Dr. Åke Senning und der Ingenieur Rune Elmquist den ersten Schrittmacher testeten, hat es mehrere große Fortschritte in der Medizintechnik gegeben. Der erste Schrittmacher arbeitete starr wie ein Metronom. Die heutigen Geräte stellen sich auf den Kreislauf der Patienten einstellen. Sie messen zum Beispiel die Herzfrequenz und geben ihre Impulse nur bei Bedarf ab. Zu den Zweikammer-Systemen, die mit zwei Drähten zum Herzen vor allem bei Rhythmusstörungen helfen, sind Ende der 90er Jahre Dreikammer-Schrittmacher gekommen. Die dritte Elektrode schaltet sich ein, wenn rechte und linke Herzkammer nicht im Takt schlagen. Damit kann Patienten auch bei Herzmuskelschwäche geholfen werden. Dazu kommen neue diagnostische Funktionen. Moderne Schrittmacher können zum Beispiel den Druck im Herzen messen.

Der Patient von damals hatte nur 2 Tage was von seinem ersten Schrittmacher. Heute tun die Batterien bis zu 10 Jahre ihren Dienst. Auch herzkranken Babys können die kleinen Geräte inzwischen schon eingeplanzt werden. Die meisten Schrittmacher-Patienten in Deutschland sind jedoch über 60 Jahre alt.

Sven Schneider mit seinen 39 Jahren hat im vergangenen Jahr seinen dritten Schrittmacher bekommen, ein modernes Dreikammer-System. Er hat seinen Lebensrhythmus seiner Krankheit angepasst, er beschreibt sich als langsam und gewissenhaft. Zu seinen Hobbys gehören Lesen und Puzzles legen. Ein wenig mulmig wird ihm nur, wenn er ins Ausland reist, weil er Angst hat, dass ihm dort nicht so schnell wie in Deutschland Notärzte zur Verfügung stehen.

Aber auch die Geschichte des ersten Schrittmacher-Patienten, der Schwede Arni Larsson, kann allen Menschen mit Herzstörungen nur Mut machen: Larsson starb erst 2002 im Alter von 86 Jahren - mit seinem 22. Schrittmacher in der Brust. Larsson überlebte sogar seinen Arzt Dr. Åke Senning um zwei Jahre.
Quelle: aerztezeitung.de