Warum scheitern Diäten?


Mindestens jede zweite Diät scheitert. Nun scheinen Wissenschaftler herausgefunden zu haben, warum vielen der Kampf gegen die Pfunde so schwer fällt: Störungen im Hirnstoffwechsel könnten die Ursache sein.Mal sollen Kohlehydrate reduziert werden, mal steht Fett auf dem Index. Mal wird geraten, Eiweiß nie zusammen mit Kohlehydraten zu essen, dann wieder, zu speisen wie die Kreter oder einfach nur die Hälfte zu sich zu nehmen: Mehr als 2000 Bücher gibt es zum Thema "Abnehmen". Und beinahe jede zweite Frau in Deutschland hat mindestens einen Abspeckversuch hinter sich. Weltweit aber nimmt die Zahl übergewichtiger Menschen geradezu epidemisch zu. In den USA gelten 67 Prozent der Bevölkerung als zu dick. In Deutschland sind etwa die Hälfte der Frauen und rund 70 Prozent der Männer übergewichtig. Schwellenländer wie China oder Indien haben die höchsten Zuwachsraten an überernährten Menschen.

Mit der Korpulenz wächst auch die Rate der Stoffwechselerkrankungen - wie Diabetes, Arteriosklerose, Herz-Kreislauf-Probleme - und der Schlaganfälle in alarmierendem Ausmaß. Mit weniger Essen und mehr Bewegung ließe sich das Risiko erheblich vermindern. Doch den meisten Abnehmwilligen fällt es unsagbar schwer, ihr Leben zu ändern. Gnadenlos belegt die Statistik, dass die Mehrzahl nach fünf Jahren so dick ist wie zuvor, viele haben sogar noch zugelegt.

Gehirn manipuliert Energiestoffwechsel
Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Lübecker Diabetologen Achim Peters hat nun eine ungewöhnliche Erklärung dafür gefunden: Störungen im Hirnstoffwechsel könnten Ursache für ungezügeltes Essverhalten sein. Das Ergebnis beruht auf einer mehrjährigen Forschungsarbeit, bei der das Team aus Internisten, Hirnforschern und Psychiatern mehr als 50 Normal- und Übergewichtige genau beobachtete. Mit modernen bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT) gelang es den Wissenschaftlern, während verschiedener Belastungssituationen die Energieversorgung im Gehirn im Vergleich zum restlichen Körper zu messen. Dabei konnten sie zeigen, dass das Gehirn immer zuerst die eigene Energieversorgung sicherstellt, bevor es Muskeln, Organen oder dem Fettgewebe etwas zuteilt. Es steuert den Stoffwechsel zu seinen Gunsten, weshalb die Forscher vom "Selfish Brain", vom "selbstsüchtigen Gehirn", sprechen. Kein anderer Bereich des menschlichen Organismus ist so gefräßig wie das Gehirn. Obwohl es bei Erwachsenen nur etwa zwei Prozent des Körpergewichtes ausmacht, verbraucht es rund zwanzig Prozent der Energie. "Das Gehirn manipuliert den Energiestoffwechsel", sagt Achim Peters. "Wenn es ihm nicht gelingt, ausreichend Energie für sich aus dem Körper anzufordern, gleicht es die Unterversorgung dadurch aus, dass es die Nahrungsaufnahme steigert und dem Körper den Energieüberschuss überlässt. Auf diese Weise kann langfristig eine Adipositas, also Fettleibigkeit, entstehen." Eine solche Strategie "zwingt" den Organismus, mehr energiereiche Nahrung aufzunehmen, als gut für ihn ist.

Das Stresssystem des Menschen ist aus der Sicht der Lübecker Forscher der zentrale Regelungsmechanismus für den Energiestoffwechsel. Befindet es sich über einen längeren Zeitraum im Ungleichgewicht (zum Beispiel durch Depressionen), könne das den Appetit über die Maßen steigern. Denn viele Menschen empfinden Essen als tröstlich oder entspannend. Vor allem zuckerhaltige Speisen mildern nachweislich die Stressreaktion und wirken stimmungsaufhellend. Wer sich über Jahre hinweg mit Essen tröstet, sorgt unweigerlich dafür, dass sich diese positive Verknüpfung in sein Hirn eingräbt. Ihre Erkenntnisse nutzen die Wissenschaftler der Universität Lübeck derzeit als Grundlage, um "ein völlig neuartiges Abnehmkonzept" zu erarbeiten, bei dem Verhaltenstraining und Problemlösungsstrategien im Mittelpunkt stehen. Erste Erfahrungen zeigen, dass es möglich ist, die entgleisten Stoffwechselreaktionen durch positive Lernprozesse schrittweise wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

Krankhafte Fettleibigkeit liesse sich nach diesen Erkenntnissen dann erfolgreich behandeln, wenn die herausragende Rolle des Gehirns berücksichtigt wird. Wenn beispielsweise ein Patient den Dauerstress am Arbeitsplatz beseitigen kann oder eine vorhandene Depression erfolgreich behandelt wird, "dann bekommt dieser höchstwahrscheinlich auch sein Gewichtsproblem in den Griff ".

Quelle: stern.de u. journalmed.de