Die meisten Raucher sind abhängig - sind sie deshalb auch krank?

Da hat die Bundesärztekammer (BÄK) in Deutschland ja was ausgelöst! (hier in Spanien waren wir ja mit die Ersten, die Gesetze zum Schutz der Nichtraucher ins Leben riefen, aber schon bei der Durchführung hapert es ja kräftig, von Ausweitung ist also keine Spur): sie fordert die Anerkennung von Tabakabhängigkeit als Krankheit. Dabei geht es der BÄK nicht um die Raucher schlechthin, wie in der Debatte mitunter suggeriert wird, sondern um abhängige Raucher.

Dass Süchtige krank sind, darüber dürfte es eigentlich keinen Streit geben, denn die Kriterien für eine “Sucht” sind eindeutig geregelt (ICD-10). So wird in Kapitel V "Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen" (F10-F19) unter "Abhängigkeitssystem" Tabak explizit erwähnt und unter F17 noch einmal gesondert gelistet. Auch das in diesem Zusammenhang aufgeführte "Entzugssyndrom" ist auf viele Gewohnheitsraucher, die ihrer Sucht abschwören wollen, anzuwenden.

Das Argument der Ärztekammer ist, dass Rauchen im öffentlichen Bewusstsein häufig immer noch als Lifestyledroge verharmlost wird. Unterstützung für ihre Argumentation erhält sie dabei von Suchtexperten wie Professor Karl Mann vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Die Folge wäre, dass mit einer Anerkennung der Tabakabhängigkeit als Krankheit die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Krankenkassen und Rehaträger die Kosten für medikamentöse oder andere Ausstiegshilfen für Raucher finanzieren müssten.

Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), sagte, dass schwerstabhängige Raucher krank seien; für sie geht es darum zu klären, wo die Grenze zwischen Nikotinabhängigen und Genussrauchern zu ziehen ist.

Was Raucher nicht gern wahrhaben wollen, ist, dass die meisten von ihnen tatsächlich süchtig sind. Das liegt an der besonderen Wirkungsweise des Nikotins. Ein Teil des beim Rauchen freigesetzten Nikotins erreicht innerhalb von nur sieben Sekunden das Gehirn, wo es auf die Acetylcholin-Rezeptoren wirkt.

Suchtpotenzial von Nikotin
In der Folge werden Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Endorphine ausgeschüttet. Die besondere Wirkung von Nikotin besteht darin, dass es das Dopaminsystem, besonders die Belohnungsareale der Großhirnrinde (Nucleus accumbens), beeinflusst. Regelmäßiges Rauchen führt zu einer Vermehrung der Acetylcholin-Rezeptoren, was die Entzugssymptomatik verstärkt. Zigaretten enthalten zudem Substanzen, die die Suchtwirkung erhöhen, indem sie als Nikotinbeschleuniger wirken.

Auch wird gerne vergessen, dass Nikotin eine der am schnellsten abhängig machenden Substanzen ist. Das Suchtpotenzial ist dem von Heroin ähnlich. Daher verlangen Experten wie der Suchtexperte Mann, Tabak- und Alkoholabhängigkeit hinsichtlich ihrer Anerkennung als Krankheit gleich zu behandeln. Und das Deutsche Krebsforschungszentrum schreibt in seinen Empfehlungen für eine wirksame Tabakkontrollpolitik: "Tabakerzeugnisse sind die einzigen frei verfügbaren Konsumgüter, die bei einem Großteil derer, die sie bestimmungsgemäß verwenden, zu Abhängigkeit, schwer wiegenden Gesundheitsschäden und vorzeitigem Tod führen."

27 Prozent der Bundesbürger sind Raucher. 85 Prozent davon rauchen regelmäßig, 15 Prozent gelegentlich. Jährlich sterben zwischen 110 000 und 140 000 Bundesbürger an den Folgen. Die volkswirtschaftlichen Kosten durch tabakbedingte Krankheiten und Todesfälle belaufen sich auf etwa 17 Milliarden Euro jährlich.

Quelle: aerztezeitung.de

Böse Zungen unterstellen der Ärztekammer finanzielle Motive für die Initiative. Andererseits gibt es eindeutige Kriterien, nach denen Leitlinien erstellt wurden, um andere Suchtkrankheiten zu diagnostizieren, zu behandeln und in der Konsequenz diese Behandlungen zu finanzieren. Warum tun wir uns dann mit den Rauchern so schwer?

Das Problem ist natürlich: Wer zahlt das? Eine aktuelle online-Umfrage in der Ärztezeitung bringt ein ganz eindeutiges Ergebnis. Aber warum akzeptieren wir, dass die Kosten für die Behandlung von Alkoholsuchtkranken durch die Kassen getragen werden, die Kosten für entsprechende Tabaksuchtbehandllungen wollen wir dagegen den Rauchern selber aufdrücken. Sowohl Alkohol wie Zigaretten sind aber allgemein erlaubte, gebilligte und akzeptierten Alltagsdrogen…