1998 - 2008: "Viagra" hat Geburtstag



Früher half nur der Glaube
Das Versprechen, mit Pillen, Pulvern und Tinkturen die Manneskraft zu stärken, ist wohl so alt wie Adam selbst. Doch bevor 1998 die Viagra auf den Markt kam hatten alle diese Mittel eines gemeinsam: Ihre Wirkung - sofern sie überhaupt eintrat - beruhte wohl weitgehend auf dem Glauben an eine stärkere Potenz. Im besten Fall enthielten solche Pillen und Pülverchen nur Kreide, im schlimmsten Fall tatsächlich Teile von seltenen Tieren und Pflanzen.

Einer der Mythen, die sich um Viagra ranken, lautet daher: Die erste wirksame Potenzpille hat mehr für den Artenschutz getan als sämtliche Umweltschutzorganisationen zusammen. Dies bestreiten solche Organisationen zwar heftig, doch der Gedanke hat etwas Tröstliches, dass das eine oder andere Geschöpf mit seinem Leben davon kommt, weil endlich jemand eine Potenzpille entwickelt hat, die tatsächlich wirkt. Zumindest bei Menschen mit Zugang zu moderner Medizin dürfte die Nachfrage nach obskuren biologischen Präparaten in den vergangenen zehn Jahren deutlich eingebrochen sein.

Grund dafür sind ein paar schlichte Fakten: Etwa 80 Prozent der potenzschwachen Männer bekommen mit dem Wirkstoff ihre Manneskraft wieder zurück, bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit und Diabetikern, die häufiger schwerere Formen einer erektilen Dysfunktion (ED) haben, sind es immerhin noch 60 bis 70 Prozent. Zum Vergleich: Mit wirkstofflosen Kreidepillen waren es in Studien bei solchen Patienten zum Teil weniger als 15 Prozent.

Die "sexuelle Befreiung des Mannes"
Kein Wunder also, dass bei der Einführung der Arznei in Leitartikeln von der sexuellen Befreiung der Männer geschwärmt wurde, dass es Viagra in die Titelzeilen von Zeitungen und Magazinen schaffte oder die Diskussionen in Talkshows bestimmte. Kein Wunder ist auch, dass sich Viagra zu einem der größten Blockbuster für Pfizer mauserte; im vergangenen Jahr wurden mit dem Potenzmittel - trotz Konkurrenzprodukte - immer noch knapp 1,1 Milliarden Euro umgesetzt.

Auf der Suche nach einem Antihypertensivum
Dabei sah es am Anfang nicht gerade nach einer Erfolgsgeschichte aus. Als der Wirkstoff Sildenafil Ende der 80er Jahre synthetisiert wurde, dachte noch niemand an ein Medikament gegen Potenzschwäche. Forscher bei Pfizer waren vielmehr auf der Suche nach einem neuen Blutdrucksenker. Dabei nahmen sie den Botenstoff zyklisches Guanosin-Monophosphat (cGMP) ins Visier. Der Botenstoff entspannt die glatten Muskelzellen in den Gefäßen und senkt damit den Blutdruck.
Die Forscher des Unternehmens suchten also nach Substanzen, die für mehr cGMP in den Zellen sorgen. ... Mit Sildenafil wurden sie fündig. Die ersten Studien mit Sildenafil begannen Anfang der 90er Jahre - sie verliefen enttäuschend. Sildenafil hatte kaum einen Einfluss auf Blutdruck und Blutfluss. Der Blutdruck war unverändert. Damit wäre das Schicksal von Sildenafil eigentlich besiegelt gewesen.

Doch einige Männer in den Pilotstudien wollten die Therapie nicht beenden, da es plötzlich im Bett wieder besser klappte. Wie Testteilnehmer und Forscher schnell erkannten, erhöht der Wirkstoff die Potenz.

Inzwischen sind weltweit über 35 Millionen Männer mit Viagra behandelt worden. Und noch immer steht das Medikament auf Platz fünf der umsatzstärksten Arzneien von Pfizer.

Inzwischen wird Sildenafil jedoch nicht nur gegen Potenzschwäche verwendet. Forscher haben sich wieder an die ursprüngliche Idee erinnert, die Substanz als Blutdrucksenker zu verwenden - und zwar im Lungenkreislauf. Das Medikament entspannt die Gefäße vor allem in den gut belüfteten Arealen und verbessert dadurch die Sauerstoffversorgung - getestet wurde dies etwa bei Bergsteigern im Himalaja. Seit zwei Jahren ist Sildenafil als Revatio® auch gegen pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) erhältlich.

Möglicherweise hilft das Medikament auch Schichtarbeitern: In Studien verminderte es die Auswirkungen eines künstlich erzeugten Jetlags - bislang allerdings nur in Versuchen mit Hamstern.

Quelle: aerztezeitung.de