Herzklappen aus eigenen Zellen bald möglich?


HEIDELBERG (bd). Ärzten und Forschern an der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg ist es gelungen, Herzklappen aus Zellen von Tieren im Bioreaktor zu züchten. "Aus früheren Forschungsarbeiten haben wir Hinweise darauf, dass sie möglicherweise sogar die Fähigkeit haben, im Körper mitzuwachsen", sagt Professor Matthias Karck, Leiter der Abteilung Herzchirurgie.

Die ersten Erfahrungen mit den Herzklappen im Tiermodell sind sehr viel versprechend. Mit einer aus eigenen Zellen gezüchteten neuen Aortenklappe lebt ein Schaf bereits seit einem Jahr ohne Komplikationen, freut sich Privatdozent Artur Lichtenberg. Der Forscher leitet ein neues Projekt, das von der Dietmar-Hopp-Stiftung für drei Jahre mit 850 000 Euro unterstützt wird.
Lichtenberg rechnet damit, dass die ersten klinischen Studien in drei bis fünf Jahren begonnen werden können. Besonders Kinder mit angeborenen Herzfehlern, die einen Herzklappenersatz brauchen, könnten davon profitieren. Wiederholte Operationen für einen Klappenaustausch würden sich erübrigen, ebenso wie die lebenslange Behandlung mit einem Gerinnungshemmer bei mechanischen Klappen. Die Gerinnungshemmung entfalle zwar auch bei den bereits verwendeten Aortenklappen aus biologischem Material. Deren Haltbarkeit sei aber auf etwa 10 bis 15 Jahre begrenzt, so Karck.

Das Prinzip des Heidelberger Projekts: Gesunde Herzklappen von Spendern - entweder von menschlichen Spenderherzen oder von Schweinen - werden im Labor chemisch von Zellen gereinigt, nur das Klappengerüst bleibt übrig. Auf diese Weise kann keine Abstoßungsreaktion stattfinden. "Entscheidend ist, dass man es schafft, sämtliche immunologisch ungünstigen Zellreste zu entfernen, ohne das Klappengerüst zu beschädigen," sagte Dr. Payam Akhyari vom Forscherteam.
Was übrig bleibt, ist eine Fasermatrix, ein Gerüst, aus Kollagen und anderen extrazellulären Proteinen. Die Herzklappensegel, die hauchdünne Membranen sind, sollen im Bioreaktor von patienteneigenen Zellen - aus dem Blut gewonnen und im Reagenzglas vermehrt - besiedelt werden. Dabei handelt es sich um endotheliale Vorläuferzellen, die sich zu Herzklappenzellen ausdifferenzieren sollen. "Im Reaktor müssen hierfür optimale physiologische Wachstumsbedingungen geschaffen werden", so der Heidelberger Forscher. Die Bedingungen werden computergesteuert und vollautomatisiert kontrolliert. So wird etwa für geeignete Nähr- und Wachstumsstoffe gesorgt, und die Zellen werden elektrisch oder mechanisch gereizt. Ziel ist es, die Zellen an die natürlichen Stressbedingungen im Gefäßsystem anzupassen.

"Die Ergebnisse sind relativ spektakulär", so Karck, dessen Forscherteam die Erfahrungen in der Züchtung von Herzgewebe von der Medizinischen Hochschule Hannover nach Heidelberg mitgebracht hat. Nach wenigen Wochen wächst tatsächlich eine neue Herzklappe aus den Zellen heran und kann einem Tier implantiert werden. Dort arbeitet sie sofort. Jetzt gilt es, die Funktionen im lebenden Organismus im Dauereinsatz zu überprüfen, was noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird. Bislang wurden keine Abstoßungsreaktionen, keine Thrombosen oder Verkalkungen an den gezüchteten Klappen festgestellt, wie die Forscher bei einer Veranstaltung in Heidelberg berichtet haben.

Auch Herzmuskelzellen sollen so gezüchtet werden. Dafür wollen die Wissenschaftler adulte Stammzellen verwenden. An dem Heidelberger Projekt "Kardiales Tissue Engineering" arbeitet ein zehnköpfiges Team aus Ärzten, Biologen und Ingenieuren.
Quelle: Ärztezeitung, Okt. 2007