Der Schlankheitswahn geht um die Welt


Es gibt Studien, wonach etwa in Afrika und auf den Fidschi-Inseln, wo es bislang keine Ess-Störungen gab und füllige Frauen als schön galten, sich zunehmend ein westliches Schlankheitsideal durchsetzt und immer mehr junge Frauen essgestört sind. In Afrika galten Ess-Störungen früher als Luxuskrankheit der Weißen. Für Farbige war Fülligkeit ein Zeichen von Wohlstand und Fruchtbarkeit. Doch der Druck abzunehmen ist auch dort enorm gestiegen.
Woher kommt dieser Wandel des Schönheitsideals?
Eine Studie auf den Fidschi-Inseln hat einen Zusammenhang zwischen der Einführung von Satellitenfernsehen und einer Zunahme von Ess-Störungen festgestellt. Das Frauenbild in Serien wie Melrose Place knüpft Erfolg, Wohlstand und Schönheit an Schlanksein. Die Zuschauerinnen werden plötzlich mit einem Körperbild konfrontiert, das mit dem traditionellen nicht mehr im Einklang steht. Das kompromisslose Streben nach westlichen Idealen kann schwerwiegende Identitätskrisen auslösen.

Und das führt zur Ess-Störung?
Sicher kann man nicht sagen, das neue Schönheitsideal sei an allem schuld. Zudem führen Diäten nicht sofort in die Magersucht. Aber wenn man sein Selbstbewusstsein stark auf Äußerlichkeiten bezieht, kann das durchaus ein wichtiger Faktor sein.

Wird Magersucht die neue Volkskrankheit?
Bislang haben Studien vor allem gezeigt, dass Fettleibigkeit auf Pazifikinseln wie Fidschi ein Riesenproblem ist. Nun kommt die Magersucht dazu. Beide Phänomene werden jetzt wohl parallel bestehen. Auch in einigen afrikanischen Ländern kann man beobachten, dass die Leute einerseits durch die importierte Fast-Food-Kultur dicker werden und andererseits dem Schlankheitswahn verfallen.

Was wissen Bewohner afrikanischer Länder oder pazifischer Inseln über Ess-Störungen?
In Deutschland gibt es nach 20 Jahren Auseinandersetzung mit dem Thema inzwischen viel Aufklärung, auch in den Medien. Aber dort steht man noch ganz am Anfang.

Aus einem Interview mit Silvia Uhle, Leitende Psychologin der Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie

Quelle: DIE ZEIT, 18.10.2007