„Ärzte mit Grenzen“: die Flüchtlingswelle in Deutschland


Seit Wochen sehen wir die teilweise tragischen Bilder von Flüchtlingsströmen in die europäischen Grenzländer, dann nach Österreich, München und schliesslich Berlin. Wir alle machen uns zum Thema wohl mehr oder weniger angebrachte Gedanken. Einige von uns werden auch aktiv: feindlich oder solidarisch.
Eines ist aber Tatsache. Ob wir (sie) wollen oder nicht: die Flüchtlinge benötigen in vielen Fällen medizinische Betreuung. Diese ist per Gesetz festgelegt, innerhalb Europas gar nicht einheitlich und die Bürokratie eines jeden Bundeslandes hat dafür Gewährleistung zu tragen, dass die Betreuung entsprechend gewährleistet wird. Schon in früheren Jahren gab es dabei häufig Kritik.
Nun ist alles viel dramatischer und dringlicher: von wunden Füssen über schwangere Frauen, unterversorgten Babys, posttraumatische Beschwerden – und die mittlerweile grassierende Angst vor Infektionskrankheiten. Alles kommt vor. Alle Menschen müssen zu Beginn behandelt werden.
Wie gehen die Behörden, wie gehen Ärzte (und Gesundheitspersonal) damit um? Die Situation in deutschen Erstaufnahmelagern erinnert momentan eher leider an den afrikanischen Kontinent. Viele ehrenamtlich tätige Ärzte arbeiten in Containern, die Patienten stehen in der Schlange, kein Sichtschutz, als Behandlungsbett dient eine Pritsche, ein unglaublicher Geräuschpegel, der Arzt auf den Knien vor dem Patienten, Hitze (und bald die Kälte): So schildern die engagierten Ärzte ihren Einsatz.
Was können sie dort leisten? Nicht viel, denn die Vorschriften und vor Ort nicht vorhandenen Mittel stehen einem effektiven Einsatz entgegen: Derzeit findet weder eine Erstversorgung oder eine Tuberkulose-Untersuchung bei der Ankunft geschweige denn die generelle Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vor Ort und zeitgerecht statt, so beklagen die Ärzte. Andere Infektionskrankheiten, Mangelerkrankungen oder Verletzungen, die sich Flüchtlinge auf ihrer Flucht zugezogen haben können ebenfalls nicht ausreichend ärztlich versorgt werden.
Deshalb fordern sie jetzt als ersten Schritt den Aufbau eines mobilen, hauptamtlich engagierten Ärzteteams und die Einführung regelmässiger Sprechstunden direkt vor Ort in den Aufnahmelagern, bzw. den Zugang zu Notfallamblanzen in Kliniken . Die Aktiven klagen über die Bürokratie, unklare Zuständigkeiten und einen bisher oftmals fehlenden politischen Willen. Nun aber steht der Winter vor der Tür und es gibt dringendsten Handlungsbedarf.
Vorschläge von Seiten der aktiven Ärzte gibt es reichlich. In Dresden z. Bsp. Sind es momentan 40 Ärzte, die ehrenamtlich arbeiten; die Uniklinik hat Räume und Unterstützung angeboten. Jetzt ist eine kontundente Antwort von Seiten der Politik gefragt.
Situation: 2,3M2 pro Person
Noch ist die Situation in Dresden unter Kontrolle: Grosszügige vier Quadratmeter stehen jedem Flüchtling gemäss internationaler Konvention zu, mit 2,3 Quadratmetern pro Person müssen sie sich zur Zeit begnügen.
Die behandelnden Ärzte arbeiten ca. vier Stunden, beginnen teilweise am Nachmittag nach einem vollen Arbeitstag. Da bis vor Kurzem für alle Bewohner und Helfer des überbelegten Lagers nur zehn Dixitoiletten zur Verfügung standen kursierten Durchfallerkrankungen; von der Geruchsbelästigung bei 40 Grad Celsius gar nicht zu reden. Grippale und andere Infekte sind die häufigsten Erkrankungen. Fälle von Krätze sind bekannt; Tuberkulose? Pneumonie? Auch vier Wochen nach Aufbau des Lagers können diese Krankheiten nicht direkt vor Ort, sondern nur im Gesundheitsamt Chemnitz diagnostiziert werden.
Doch die Dresdener Ärzte sind überzeugt, dass es auch anders geht. Letztendlich sind es zehn Prozent der Flüchtlinge, die (nach der Erstuntersuchung) ärztliche Behandlung benötigen. Schliesslich steht bei jeder Grossveranstaltung ein angemessens Team mit besseren Mitteln zur Verfügung.

Eine Riesenherausforderung für die Migrationsmedizin in ganz Europa.

Quelle: aerztezeitug.de, derspiegel.de