Ein satter Bauch entscheidet besser

Kennen Sie die Situation, dass Sie kurz vor Mittag vor Hunger kaum noch denken können, alles tun, um so schnell wie möglich an Essen zu kommen, und alles andere, was in diesem Moment noch so auf Sie einstürmt, ist Ihnen völlig egal? So egal, dass Sie nicht an mögliche Konsequenzen denken, Ihre Mitmenschen schroff behandeln, Ihre Arbeit nicht mehr so gut wie gewöhnlich verrichten…
Wahrscheinlich wissen Sie, dass das direkt mit Ihrem Blutzuckerspiegel zusammen hängt. Sinkt der zu tief ab, sind Sie nicht mehr der- oder dieselbe. Also, so jemand bin ich.

Aber wussten Sie, dass Ihr Blutzuckerspiegel auch Einfluss auf Ihre Entscheidungsfähigkeit hat? Darauf, dass Sie in der Lage sind, auch für die Zukunft zu planen. Oder ob Sie gerade für den Moment entscheiden, und ein Ergebnis hier und jetzt wollen, wo ihnen die "Belohnung" sofort ins Haus steht, auch wenn sie geringer ausfällt.

Um das nachzuweisen, machten die Amerikaner Xiao-Tian Wang und Robert Dvorak von der University of South Dakota in Vermillion Versuche, bei denen 65 Freiwillige in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Der jeweilige Blutzuckerspiegel wurde bestimmt und danach sollten die Teilnehmer angeben, ob sie es vorzögen, gleich am nächsten Tag eine eher kleine Geldsumme zu erhalten, oder ob sie lieber irgendwann später eine größere Summe bekommen würden.
Im Anschluss bekam eine Gruppe zuckerhaltige Zitronenlimonade, während die andere Gruppe die zuckerfreie Variante des Getränks konsumierte. Und nach zehn Minuten wiederholten die Forscher sowohl den Blutzuckertest als auch die Befragung.

Das Ergebnis war: Das süße Getränk erhöhte erwartungsgemäß den Blutzuckerspiegel von Gruppe eins. Und deren Mitglieder wählten viel häufiger die zukünftige Auszahlung als vor dem Konsum. Das ungesüßte Getränk bewirkte in Gruppe zwei genau das Gegenteil: Der Blutzuckerspiegel fiel, und die Probanden entschieden sich jetzt häufiger für den Sofortgewinn.

Nach Meinung der Forscher gibt es dafür verschiedene Erklärungen. Einerseits ist das Erfassen und Verarbeiten von zukünftigen Ereignissen komplexer und damit energieaufwendiger als die Reaktion auf unmittelbare Geschehnisse. In Zeiten von Energiemangel, also mit niedrigem Blutzuckerspiegel, spielt der Gedanke an die Zukunft keine grosse Rolle mehr, während aktuelle Ereignisse bevorzugt verarbeitet werden.

Andererseits könnte auch das Ausmaß der Risikobereitschaft der entscheidende Faktor sein. Und die hängt vom Versorgungszustand des Körpers ab. Wer ausreichend Ressourcen im Körper zur Verfügung hat, kann es sich eher leisten, auch einmal auf die unsichere Zukunft zu setzen als jemand, der eine Energieknappheit fürchten muss.
Vielleicht ist ganz simpel der Blutzuckerspiegel ja die Erklärung, warum manche Leute öfter mal den unnetten Satz “Du bist so impulsiv » hören. Und andere anscheinend ihre Zukunft besser planen können. Völlig unwissenschaftlich könnte man daraus schliessen, dass ein voller Bauch zwar nicht gern studiert, aber gut entscheidet.
Quelle: FOCUS.DE