Armut in Deutschland

Wer gilt in Deutschland als arm? Derjenige, der in Ostdeutschland weniger als 605 Euro und in den alten Bundesländern weniger als 730 Euro Einkommen im Monat zur Verfügung hat. Und in dieser Hinsicht ist Deutschland ein "zutiefst zerrissenes Land", so erklärte der Chef des Paritätischen Gesamtverband Dr. Ulrich Schneider bei der Präsentation der Untersuchung, für die ein sogenannter “Armutsatlas” erstellt wurde.

Wenn man diese Karte studiert, erkennt man, dass ganze Regionen in die Verarmung zu geraten drohen. Laut Dr. Schneider wird es in Zukunft eine regelrechte Verödung gewisser Landstriche geben, denn in den Regionen mit der grössten Armut sind natürlich auch die Abwanderungstendenzen am größten.

Der Armutsatlas dürfte auch wichtige Schlüsse auf den Gesundheitszustand der Bundesbürger zulassen. Denn es gilt: Je niedriger das Einkommen, desto schlechter sind auch Gesundheit und Gesundheitsverhalten. Außerdem besteht inzwischen, wohl wegen des fehlenden finanziellen Anreizes, in den Regionen mit hohen Armutsquoten ein zunehmender Mangel an Haus- und Fachärzten.

Die bundesweit höchsten Armutsquoten wurden in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern mit 24,3 Prozent (heisst: einer von vier Bundesbürgern!) und in Sachsen-Anhalt mit 21,5 Prozent festgestellt. In der Region Vorpommern sind sogar 27 Prozent der Menschen arm. Und wieder zeigt sich das altbekannte Nord-Süd-Gefälle: Die geringsten Werte verzeichneten Baden-Württemberg mit zehn Prozent und Bayern mit elf Prozent. Im Bundesdurchschnitt liegt die Armutsquote derzeit bei 14,3 Prozent.

In diesem Zusammenhang fordert jetzt der Gesamtverband, den Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger von 351 auf 440 Euro im Monat zu erhöhen und eine bessere regionale Ausrichtung von Konjunkturprogrammen. Das Konjunkturpaket II der großen Koalition wurde vom Verband kritisiert, ebenso wie die Konjunkturspritze der berüchtigten “Abwrackprämie”. Damit würde die Spaltung zwischen Arm und Reich nur noch vergrössert.

Und die zehn Milliarden Euro an Bundesmitteln für Investitionen in Bildung und kommunale Infrastruktur fliessen zu gut einem Drittel ausgerechnet in die Bundesländer, die mit Abstand die geringsten Armutsquoten aufweisen. Eine solche Mittelverteilung ist nach Meinung von Dr. Schneider "ökonomisch unvernünftig und sozial ungerecht".
Quelle: aerztezeitung.de