Bildung verdirbt die Augen


Das hat man dann davon, wenn man sich um Bildung bemüht. Die geht in unseren Breitengraden mit Lesen und Schreiben einher, über Arbeitstischen, in knappen Quadratmetern und heute unvermeidbar am Computer. Konsequenz: Schon als Kind verdirbt man sich die Augen. Wenn man dann noch das Freizeitverhalten der Jugendlichen miteinbezieht, dann gibt das ganze ein düsteres Panorama.

Die Myopie (Kurzsichtigkeit) hat in allen Industrienationen stark zugenommen. Aber inzwischen gilt Taiwan als "Insel der Kurzsichtigen". Neun von zehn Taiwanesen werden im Laufe ihres Lebens kurzsichtig. Besonders dramatisch ist, dass schon viele Erstklässler nicht erkennen, was der Lehrer an die Tafel schreibt.

Bisher schob man die Schuld auf lange Unterrichtstage sowie die vielen filigranen chinesischen Schriftzeichen. Doch nach den neuesten Erkenntnissen der Augenärzte sind es die Ferien und nicht die Schulzeit, die die Kinderaugen am meisten schädigen. Neben Fernseher und Computer werden auch die familiären vier Wände als Hauptproblem benannt. Die meisten chinesischen Schüler verbringen nämlich die gesamten Sommerferien in geschlossen Räumen, und genau das verschlimmert alle Arten von schon existierenden Augenproblemen. "Ein 12-jähriger Patient von mir, der sich zu Hause während den ganzen Ferien mit Videospielen beschäftigt hat, erlitt eine 300-prozentige Verschlimmerung seiner Kurzsichtigkeit", erzählt Liao Chang- bin, Direktor einer Augenklinik in Taipeh.

Myopie ist die Hauptursache für Erblindung in Asien
Untersuchungen des chinesischen Bildungsministeriums zeigen, wie ernst die Lage ist. Kurzsichtigkeit ist zumeist Folge eines zu langen Augapfels, der dazu führt, dass optische Abbildungsfehler erzeugt werden. Von diesem Defekt des Auges sind bereits die Hälfte der Grundschüler Taiwans betroffen.

Bei den 12- bis 15-Jährigen sind es sogar zwei Drittel, die von Myopie betroffen sind. Die beunruhigendste Erhebung zeigt, dass 95,8 Prozent der Studenten der Elite-Universität des Landes einige Meter entfernte Objekte nur noch verschwommen wahrnehmen.

Allgemein gilt: Wer schon früh im Leben schlecht sieht, kann in der zweiten Lebenshälfte ernste Probleme bekommen. Zwar ist es in den meisten Fällen möglich, die Sehschwäche mit Brillen und Kontaktlinsen zu lindern oder sie mit einer Laseroperation gar ganz zu beheben. Doch unter der Bevölkerung Taiwans gilt schon bei drei Prozent der Defekt als nicht korrigierbar. Besonders erschreckend: In Asien allgemein ist die fortschreitende Myopie die führende Ursache vollständiger Erblindung.

In Deutschland gibt es gar keine aktuellen Statistiken. Deshalb vermuten die Forscher einfach mal, dass die Situation derjenigen in den skandinavischen Ländern ähnelt. Dort ist etwa ein Drittel der Universitätsstudenten kurzsichtig, wie von der Universität Tübingen berichtet wird.

Bücher und Bildung verderben die Augen
Die Wissenschaft weiss es schon lange: Angehörige von Naturvölkern sind nur sehr selten kurzsichtig. Und in den Industrienationen trifft das Problem eher Akademiker als Arbeiter. In der Hinsicht gilt die einfache Formel: lieber Blaumann als weisser Kragen! Je mehr Bücher und Bildung, desto schlechter die Augen.

Und jetzt kommen – zumindest in Taiwan - noch die Ferien als wichtiger Faktor hinzu. Aber wenn wir westlichen Eltern mal ehrlich die Feiengewohnheiten unserer Kinder begutachten, müssen wir da nicht eventuell auch dringend mal was verändern?

Was die Taiwanesen und alle anderen, die ihre Sehkraft auch nicht frühzeitig einbüssen wollen, tun sollten, damit dies hier nicht der “Globus der Kurzsichtigen” wird, ist eigentlich ganz einfach: hin und wieder auf Objekte in mehr als sechs Metern Entfernung schauen. Tja, demjenigen, dessen Wohnräume nicht diese Ausmasse haben, dem bleibt noch die Alternative eines Besuches der Aussenwelt auf Strasse, Feld, Wald und Wiese. Und sich dann vielleicht doch mal beim Computerspielen, internetsurfen oder fernsehen eine Pause gönnen. Am besten so nach je 30 Minuten und dann für mindestens fünf bis zehn Minuten.
Quelle: aerztezeitung.de