Der traurigste Tag des Jahres



Am 19. Januar, war der angeblich „traurigste Tag des Jahres“. Wie haben Sie ihn erlebt? Pseudowissenschaftlich gilt als nachgewiesen: das definitive Ende der langen Weihnachtszeit mit allen Festen und Feiern, der finanzielle Abgrund, der sich für viele regelmässig (warum muss das eigentlich so sein?) im Januar auftut, die Dunkelheit der Jahrezeit in den nördlichen Breitengraden, die drastisch abklingende Euphorie über das neue, so ganz andere Jahr tun alles, um uns stimmungsmässig runterzureissen.

So ein Stimmungstief am traurigsten Tag des Jahres, auch wenn er 100 Stunden hätte, hat aber rein gar nichts mit einer echten Depression zu tun. Eine depressive Episode ist eine ernste Krankheit, über die die meisten von uns allerdings nicht viel wissen und die noch immer mit vielen Vor- und Falschurteilen behaftet ist.

Eine Depression ist eine richtige Krankheit, kein Stimmungstief!
Eine Depression ist eine Erkrankung, die unabhängig von äußeren Faktoren auftreten kann. Es kann aber Auslöser geben. Vielmehr werden in einer Depression die Probleme, die das ganz normale Leben mit sich bringt, übermässig vergrößert wahrgenommen. So trifft die Kritik eines anderen einen dermassen, dass man das Gefühl hat, wertlos zu sein. Die zermürbenden Rückenschmerzen werden als böse Vorzeichen gedeutet, im Rollstuhl zu enden.  Der Alltag wird als unerträgliche Bürde erlebt.
Eine Depression kann jeden treffen
Depressiv sein heisst nicht psychisch labil oder schwach zu sein, sich gehen zu lassen. Ganz genauso  sind oft Menschen betroffen, die sehr gewissenhaft sind, grosse Verantwortung übernehmen. Es kann einfach jeden treffen.
Depressionen werden nicht häufiger
Allerdings nimmt die Zahl der Menschen zu, die sich Hilfe holen und die Zahl der Ärzte, die eine Depression diagnostizieren. Oftmals verdecken körperlichen Beschwerden wie chronischen Rückenschmerzen und ähnliches eine Depression. Das heißt, die entsprechende Diagnose wird heute einfach häufiger als vielleicht noch vor einigen Jahren gestellt. Das ist an sich sehr positiv zu bewerten. Hat sich doch die Zahl der Selbstmorde seit den 80-er Jahren in Deutschland z. Bsp. von 18.000 auf 10.000 Fälle reduziert.  Eindrücklicher gesagt bedeutet das: heute nehmen sich pro Tag 20 Menschen weniger das Leben als noch vor 30 Jahren. Das ist ein grosser und erfreulicher Fortschritt, denn die häufigste Ursache für einen Suizid sind noch immer Depressionen.
Depression ist heilbar
Viele Betroffene werden auch wieder völlig gesund und leistungsfähig. Bei manchen Menschen bleibt ein erhöhtes Risiko, eventuell im späteren Verlauf des Lebens erneut in eine solche Depression zu rutschen. Wichtig ist, dass die Betroffenen sich mit der Krankheit auseinandersetzen und sich informieren. Nicht jede Depression wird medikamentös behandelt. In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung nötig sein, manchmal ist eine Psychotherapie empfehlenswert; der Erfolg von Methoden wie Lichttherapie oder Meditation dagegen ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Allerdings sind sportliche Aktivität allgemein, richtiger Schlaf und eine gesunde Ernährung äusserst fördernd für eine gelungene Wiederaufnahme des Alltags.
Antidepressiva machen nicht abhängig süchtig
Antidepressiva machen auch nicht high, sondern wirken gezielt gegen Funktionsabläufe im Gehirn, die bei einer Depression gestört sind. Die Wirkung ist anders als die von anderen Psychopharmaka wie Schlaf- oder Beruhigungsmitteln.
Antidepressiva sind nicht für den kurzfristigen Einsatz gedacht. Erst nach ein bis zwei Wochen bemerkt der Betroffene erste Verbesserungen. Und die medikamentöse Behandlung muss über mindestens vier bis sechs Monate laufen. Danach müssen Arzt und Patient entscheiden, ob das Medikament weiter eingenommen oder abgesetzt werden kann; und das wiederum darf nicht abrupt geschehen, sondern langsam.
Antidepressiva verändern NICHT die Persönlichkeit
Im Gegenteil: es ist die Depression, die zu schweren Veränderungen im Erleben und Verhalten der Betroffenen führt. Die mit Antidepressiva behandelten Patienten sehen es oft: „Jetzt bin ich wieder so, wie ich mich kenne“.
Ursachen:
Eine Depression kann mehrere Ursachen haben, die auch heute noch nicht alle definitiv erforscht sind. Genetik, Hormone oder Infektionen können genauso Depressionen auslösen wie die Jahreszeit oder Medikamente. Es gibt ebenso einige interessante psychologische Theorien zum Thema wie eine „erlernte Hilflosigkeit“, psychosoziale Faktoren (Arbeitslosigkeit, Partnerverlust), oder (bei Kindern) Depression der Eltern als Auslösefaktoren. All diese Ansätze machen deutlich, dass es noch kein klares Urteil gibt oder vielleicht nie ganz geben wird. Aber immerhin ist die Krankheit inzwischen aus einer dunklen Ecke ans Licht geholt worden und die Betroffenen haben gute Möglichkeiten, sich wirksame, professionelle Hilfe zu holen.

La Vita è bella!