Arbeiten wie am Mittelmeer: Siesta jetzt auch in Deutschland?

Weltweit steht Spanien ja nicht unbedingt an der Spitze der Länder, die sich durch eine lange Liste bedeutender Erfindungen von anderen abheben. Aber zwei „typisch spanische“ Erfindungen sind in meinem Leben unerlässlich: das erste ist die „fregona“ – der Schreck jeder deutschen Hausfrau, die was auf sich hält. Bei uns zu Hause läuft dieser Wischmob, wie er glaub ich in Deutschland heisst, als Feudel. Ich steh auf fregonas, spätestens seit meiner ersten Schwangerschaft.
Aber hier geht es noch um etwas viel Praktischeres. Die SIESTA. Ich bin ja absoluter Fan der spanischen Mittagspause. Gar nicht mal lange, nur einfach mal eben etwas abhängen können, einfach wunderbar. Ein Vergnügen.
Nun ist es auch in Deutschland soweit. Das Thema wird offiziellst diskutiert. Hallo, sind die Deutschen plötzlich faul geworden? Nein, im Gegenteil: "Kluge Unternehmer wissen, wie wichtig schöpferische Pausen für den Erhalt der Leistungsfähigkeit, Kreativität und Motivation der Mitarbeiter sind", sagt der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven.

Längst gibt es wohl in den USA und Japan, sogar in Österreich die "Siesta am Arbeitsplatz", mit guten Erfahrungen: dass Unternehmer nicht unbedingt nur Menschenfreunde sind wird allgemein vermutet. So ist auch die siesta eher als Resultat obiger Argumente zu betrachten und hat noch eine zweite wünschenswerte Konsequenz. Die Firmen steigern ihre Attraktivität für begehrte Fachkräfte.

Die Krankenkassen sind begeistert
Ursula Marschall, Leiterin des medizinischen Kompetenzzentrums der Krankenkasse, sagte: "Gegen das sogenannte Suppenkoma, also die Müdigkeit nach dem Mittagessen, kann der kurze Spaziergang an der frischen Luft genauso gut helfen wie die Viertelstunde Mittagsschlaf."
Wichtig ist ihrer Meinung nach vor allem, dass der Arbeitgeber überhaupt angemessene Zeiträume für Erholungsphasen schaffe. In der "taz" sagte sie: "Auch wenn die Siesta in vielen südeuropäischen Staaten nicht mehr selbstverständlich ist, weil auch dort in klimatisierten Räumen gearbeitet wird, ist sie auf jeden Fall gesund." - und sorgt für neue Energie.

Jürgen Zulley, Professor für Biologische Psychologie an der Universität Regensburg, wird mit den Worten zitiert: "Eine Mittagsruhe überbrückt eine leistungsarme Zeit mit einem erhöhten Risiko für Fehler und wir reagieren anschließend schneller, sind aufmerksamer, unser Gedächtnis ist besser und wir sind auch noch besserer Laune." Die Siesta sei auch in Deutschland noch bis zur Industrialisierung die geeignete Gegenmaßnahme gewesen, um das biologische Mittagstief zu überwinden, sagte Zulley der "taz".

Laut dem Schlafforscher sollte die Mittagsruhe allerdings nicht länger als 30 Minuten dauern: "Schläft man länger, kehrt sich alles ins Gegenteil um, und den Rest des Tages kann man so ziemlich vergessen."

Gut, nun frag ich mich doch: wenn das alles erwiesenermassen so gesund und der Wirtschaft förderlich ist... Warum wollen die spanischen Politiker die eigenen Bürger denn nun unbedingt in Zukunft an ihrer traditionellen siesta zu hindern und diese nette und letztlich effiziente Einrichtung abschaffen und wie in Nordeuropa, durchgehende Arbeitszeiten einführen. Wo informieren die sich denn über Nutzen und Unsinn neuer/ alter Massnahmen? Und dann reden die immer von mangelnder Produktivität in den Mittelmeerländern. Irgendwas passt da doch nicht zusammen.
Quelle: aerztezeitung