Was tun, wenn's blitzt?


Wird ein Mensch vom Blitz getroffen, ist das für den Arzt nicht leicht zu erkennen: Probleme gibt es oft erst später. Was zu beachten ist, erklärt ein Neurologe.


Wird ein vom Blitz getroffener Mensch im Film gezeigt, geschieht das mitunter sehr überzeichnet.

Dann stehen die Haare zu Berge, das Gesicht ist voller Ruß und die zerrissene Kleidung raucht.

Im echten Leben ist es für Ärzte allerdings nicht ganz so leicht, ein Blitzopfer zu erkennen und auch zu behandeln.

"Der Arzt muss sich die Anamnese sehr genau anhören", erklärt Professor Ingo Kleiter, Neurologe, am St. Josef-Hospital, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.

Kleiter gilt als ärztlicher Experte auf dem noch wenig erforschten Gebiet der Blitzschläge.

Von 2008 bis 2011 hat er in einer Studie der Neurologischen Universitätsklinik Regensburg neurologische Spätfolgen bei 30 Blitzopfern untersucht.

Dabei war es gar nicht so leicht, Teilnehmer für die Studie zu finden. Denn schätzungsweise werden nur 30 bis 50 Menschen jährlich in Deutschland vom Blitz getroffen, rund zehn Prozent der Fälle enden tödlich.

Todesursache seien dann aber in aller Regel Herzrhythmusstörungen - und nicht, wie viele vermuten würden, innere Verbrennungen, erklärt der Bochumer Oberarzt.

Kaum ein Fall gleicht dem anderen

Und auch die Diagnose einer Blitzschlagverletzung ist nicht immer einfach, auch wenn sie sich im Verletzungsbild von konventionellen Stromunfällen unterscheiden.

Unfälle mit Starkstrom, zum Beispiel aus einer Oberleitung, führen oft zu schwerwiegenderen Gewebeverletzungen.

Kleiter berichtet, Blitzschlagverletzungen würden mitunter gar nicht diagnostiziert, auch wenn die Getroffenen in die Notaufnahme gebracht würden.

Denn die Folgen auf den Körper seien extrem unterschiedlich, kaum ein Fall gleiche dem anderen. Das kann auf ärztlicher Seite schon einmal zur Überforderung führen.

Anhand bestimmter Parameter ließe sich eine Blitzschlagverletzung dennoch diagnostizieren: "Wer getroffen wird, verliert in der Regel das Bewusstsein, weil das Gehirn kurz aussetzt", so Kleiter.

Eine manchmal mehrere Stunden andauernde Blitzlähmung (Keraunoparalyse) ist ebenfalls typisch. Berichten Patienten davon, seien dies wichtige Hinweise. Auch Kleider oder Schuhe seien oft beschädigt.

Selten komme die für wenige Stunden auftretende Lichtenbergsche Blitzfigur vor, eine fedrige Zeichnung der Haut.

Beim Blitzschlag entladen sich mehrere 10.000 Ampere - "das ist ein maximal kurzer, aber sehr starker Impuls", beschreibt der Oberarzt.

Trifft der Blitz den Körper direkt, gibt es eine hohe Fatalitätschance. "Die meisten Blitzopfer sterben dann an einer kardialen Ursache", sagt der Neurologe.

Folgebehandlung enorm wichtig

Aber: "Ein direkter Treffer ist eher selten, viel häufiger sind Verletzungen durch Seitenschlag oder Bodenleitung."

Wird ein Mensch vom Blitz getroffen, kann es zu gravierenden Herzrhythmusstörungen oder zum Herzstillstand kommen.

"Dann muss er so schnell wie möglich reanimiert werden", so Kleiter. "Wichtig ist es, zu wissen, dass von dem Getroffenen keine Gefahr ausgeht, er steht nicht unter Strom und gibt diesen auch nicht ab."

Wesentlich sei neben der Notfallversorgung auch die medizinische Folgebehandlung. Manche Folgen wie Herzrhythmusstörungen und Sensibilitätsstörungen können typischerweise über mehrere Tage persistieren.

"Deshalb ist es wichtig, den Patienten nach der Diagnose nicht allein zu lassen, sondern bei Verdacht auf Blitzschlagverletzung einem Internisten und im Verlauf gegebenenfalls auch einem Neurologen vorzustellen", betont Kleiter.

Und auch die manchmal erst Monate nach dem Blitzschlag auftretenden Spätfolgen sind nicht zu unterschätzen: "Zahlreiche Blitzopfer kommen danach nicht wieder richtig in die Spur, haben psychiatrische, kognitive oder neurologische Probleme. Viele erkranken an Depressionen oder entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung. Ein Blitzschlag kann ein traumatisches Erlebnis sein."

Amerika als Vorbild

Eine national organisierte Selbsthilfegruppe für Blitzopfer gibt es in Deutschland jedoch nicht.

In den USA ist man schon weiter, dort lädt die "Lightning Strike and Electric Shock Survivors International" (LSESSI) Betroffene jährlich zu einer mehrtägigen Konferenz mit Fachvorträgen und Austausch nach Jacksonville, North Carolina ein, bietet Informationen und Begleitung bei der Heilung.

In Amerika werden jährlich schätzungsweise 100 bis 300 Menschen vom Blitz getroffen. Dass diese Zahl so viel höher liege als in Deutschland, habe nichts damit zu tun, dass es in Amerika weniger Blitzableiter gebe, sagt der Bochumer Experte: "Es blitzt in den USA einfach häufiger, weil sie näher an den Tropen liegen als Deutschland.

Außerdem leben sehr viel mehr Menschen in Amerika als in Deutschland - deshalb werden auch mehr getroffen."

Im Reich der Mythen

Bei der jährlichen Konferenz in North Carolina wird auch der "Überlebende des Jahres" gewählt - oftmals ein Mensch, der gleich mehrfach vom Blitz getroffen wurde.

Körperliche Gründe habe dies allerdings nicht, macht Professor Kleiter deutlich.
Dass man, einmal vom Blitz getroffen, eine höhere Chance für einen erneuten Blitzschlag habe, gehöre ganz klar ins Reich der Mythen.

Viel eher gehe es um ein gewisses Risikoverhalten: "Das klassische Blitzschlag-Opfer ist jung, männlich und Outdoorsportler", so Kleiter.

Über die Hälfte der ihm bekannten Betroffenen seien Bergsportler, die sich regelmäßig in einem gefährlichen Gebiet aufhielten.

Den besten Schutz vor Gewitter bieten von Blitzableitern geschützte geschlossene Gebäude oder Autos, die einen Faradayschen Käfig bilden - allerdings nur, wenn auch die Fenster geschlossen sind.

Der ADAC empfiehlt, auch im Auto gewisse Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. So sollen Autofahrer während eines Gewitters keine gegenüber der Umgebung erhöhten Punkte als Parkplatz aussuchen, alle Antennen einziehen und Handys nur ohne Außenantenne betreiben.

Im Innenraum sollte man keine Metallteile, die mit der Karosserie in Verbindung stehen, berühren.

Doch was ist zu tun, wenn man draußen in ein Gewitter gerät?
Vor der Volksweisheit "Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen" warnt Remo Scheffler aus der Oberpfalz, der selbst vom Blitz getroffen wurde und eine regionale Selbsthilfegruppe gegründet hat.

Man solle sich in eine Mulde hocken und die Füße eng zusammenstellen, so die Empfehlung.

Sich flach auf den Boden zu legen, ist laut Scheffler nicht ratsam, denn dann bestehe die Gefahr, dass der Stromschlag die gesamte Hautoberfläche verbrenne. Meiden solle man Anhöhen, Metallzäune und frei stehende Bäume.

Quelle: aerztezeitung.de