Stellen Sie sich einmal vor: ein naher Angehöriger (Eltern oder sogar Ehepartner) wird zum Pflegefall. Sie entscheiden, ihn zu sich nach Hause zu nehmen und zu pflegen, denn “das schulden Sie ihm schliesslich”. Damit gehören Sie dann zu den Menschen, die auch in Deutschland den grössten Anteil der Pflegeleistung übernehmen. Und wahrscheinlich ist das für Sie eine schwierige Entscheidung, denn jeder weiss, dass die Pflege von Erwachsenen etwas völlig anderes ist als die Aufzucht von schnuckeligen Kleinkindern. Sie haben sich das alles reiflich überlegt, aber sind Sie damit auch vorbereitet?
Pflegende Angehörige heben und tragen ihren Ehepartner, füttern und wickeln ihre Eltern – und das mehrfach täglich! Aber die meisten von ihnen sind gar nicht auf diese Tätigkeiten vorbereitet oder geschult, nicht körperlich und schon garnicht seelisch. Und deshalb gibt es einen bedeutenden “Drehtüreffekt”: vermehrte Wiederaufnahmen in Kliniken von Pflegebedürftigen bedingt durch unzureichende Nachsorge.
Mit einem Projekt der AOK, der Universität Bielefeld und mehrerer Hamburger Kliniken soll dies in der Hansestadt geändert werden. Das Projekt heisst "Familiale Pflege" und das Ziel ist, den Übergang vom Krankenhaus auf die Zeit zu Hause so problemlos wie möglich zu gestalten.
Sechs Kliniken, die Asklepios Kliniken Barmbek und Harburg, das Katholische Marienkrankenhaus, das Bethesda Krankenhaus Bergedorf, das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus und das Evangelische Amalie-Sieveking-Krankenhaus bieten jetzt deshalb - auf Wunsch - Angehörigen von Patienten Schulungen zum Thema an (unabhängig von ihrer Krankenversicherung!). Pflegekräfte der Kliniken schulen die Interessenten im Umgang mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen. Dazu gehören Hebegriffe und technische Tricks, aber eben auch Tipps in “Tabuthemen”, wie Windeln wechseln. Damit wollen die Barmbeker "Menschen dazu befähigen, mit der neuen Situation umzugehen", erklärt Case-Manager Philipp Störtzel.
Und man verspricht sich von dem Projekt nicht nur höhere Lebensqualität für Patienten und Angehörige, sondern auch einen Rückgang der Wiederaufnahmen.
Das Projekt erscheint mir natürlich sehr lobenswert. Mich wundert nur, aber vielleicht bin ich einfach nur nicht richtig informiert nach solanger Zeit im Ausland, dass es eine Initiative einer einzelnen Krankenkasse ist (in Zusammenarbeit mit einer Universität), die das Thema in die Hand genommen hat. Auch in Deutschland sind doch immer schon Menschen zu Hause gepflegt worden. Sind diese nichtprofessionellen Pfleger nie geschult worden? Auch in Spanien ist Pflegebedürftigkeit und v.a. die häusliche Pflege ja inzwischen ein grosses Thema geworden. Hier ist aber gleich generell gesetzlich verankert worden, dass familiäre Pfleger und Pflegerinnen (die es in der grossen Mehrheit sind) Anrecht auf Schulung und finanzielle Vergeltung haben. Allerdings weiss jetzt auch keiner mehr, wie das zu finanzieren ist...
Quelle: aerztezeitung.de